- Luther: Thesenanschlag und Kampfschriften
- Luther: Thesenanschlag und KampfschriftenDie in lateinischer Sprache verfassten 95 Thesen vom 31. Oktober 1517 waren nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt (der Anschlag an der Tür der Wittenberger Schlosskirche wird heute vielfach bezweifelt), sondern als theologischer Diskussionsbeitrag gedacht. Sie richteten sich nicht grundsätzlich gegen den Ablass, sondern gegen die in der Ablasspredigt verkündete falsche Sicherheit des Heils, stellten aber mit ihrem Bußbegriff die kirchliche Bußpraxis infrage. Populär wurden die Thesen vor allem dadurch, dass sie den Unwillen der Laien über das Finanzgebaren der Kirche wiedergaben (siehe auch Ablass).Luthers Bruch mit der mittelalterlichen Kirche spiegelt sich erst in den Schriften des Jahres 1520 in voller Schärfe wider. Besondere Bedeutung kommt zwei großen Kampfschriften zu: In »An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung« appellierte Luther an Kaiser und Reichsstände, angesichts des Versagens der geistlichen Autoritäten die erforderlichen kirchlichen wie sozialen Reformen in die Hand zu nehmen und das seit langem allenthalben verlangte Konzil einzuberufen. Hatte Luther schon bei der Leipziger Disputation mit dem Ingolstädter Theologen Johannes Eck 1519 erklärt, dass sich auch Konzilien irren könnten, so sprach er nun überhaupt der geistlichen Gewalt den Vorrang vor der weltlichen ab, ja er hob die Trennung zwischen beiden auf, indem er das »allgemeine Priestertum« aller getauften Christen verkündete.Den eigentlichen Angriff auf die scholastische Theologie führte Luther in der Schrift »Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche«, in der er nur Taufe, Abendmahl und - mit Einschränkungen - Buße als Sakramente gelten ließ, wobei er für das Abendmahl den Laienkelch forderte und das Verständnis des Abendmahls als Opfer ablehnte; auch hier wie in der Rechtfertigungslehre der Grundgedanke: der Mensch kann Gott nichts geben, sondern sich nur beschenken lassen (das heißt im Abendmahl mit dem Opfer Christi).Ohne polemischen Bezug zu den theologischen Auseinandersetzungen ist eine dritte programmatische Schrift Luthers von 1520: »Von der Freiheit eines Christenmenschen«. Darin hebt er den Widerspruch zwischen den Aussagen »Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan« und »Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan« in der Bindung an Christus auf: Die durch den Glauben gewonnene letzte Sicherheit in Christus macht den Gläubigen frei zum Dienst am Mitmenschen, ohne ihn dem Zwang zu »guten Werken« zu unterwerfen. Kurz zuvor hatte Luther in dem Sermon (Predigt) »Von den guten Werken« klargestellt, dass Werke zwar keine Vorbedingung des Heils, aber selbstverständliche Früchte des Glaubens seien.So stand Luther, als der Bann gegen ihn erfolgte, tatsächlich nicht mehr auf dem Boden der alten Kirche; an eine Reformation im Sinne einer inneren Erneuerung war nicht mehr zu denken, zumal Luther im Papsttum selbst zunehmend den Antichrist sah.
Universal-Lexikon. 2012.